Zur Soziologischen Phänomenologie des Pornokinos
Den Titel habe ich von Tucholsky geklaut. Dort geht es nicht um Pornokinos (obschon es sie seinerzeit schon gab - er berichtet irgendwann mal von einem Besuch in demselben), sondern um Löcher. Hier geht es um die Schubladen, in die man die Besucher des Pornokinos stecken kann. In-Schubladen-denken ist mega out, weswegen ja auch viele in ihrem Textbaustein-Profil den Satz reingeklickt haben, daß sie keine Menschen mögen, die in Schubladen denken. Doch wir Menschen können leider nur in Schubladen denken. Man darf sie nur nie zu fest zuknallen, sonst gehen sie nicht mehr auf.Die erste Schublade ist die der angezogenen Spanner. Sie kommen, so wie sie aussehen, von der Arbeit, und sind auf dem Weg nachhause zu Mami. Vorher halten sie aber nochmal kurz an, und hüpfen mal schnell ins Pornokino - manche behalten sogar die Kravatte an, und manchmal hetzt einer mit dem handy in der Hand nach draussen. Wahrscheinlich ist es sein Chef, der wissen will, warum der Termin bei Meyer & Co. so lange gedauert hat.
Der angezogene Spanner sitzt auf seinem Sessel oder seinem Kinositz in geradezu preussischer Korrektheit und Unbeweglichkeit. Durch nichts lässt er erkennen, daß ihn das, was um ihn herum vor oder auf der Leinwand abgeht, in irgendeiner Weise irgendetwas angeht. Es betrifft ihn offenbar nichts, ihn kann nichts erschüttern, mit seinen vor der Brust verschränkten Armen.
In die zweite Schublade kommen die Schwulen. Die kommen locker flockig bis obercool hereingeschneit, und entledigen sich bald überflüssiger Kleidungsstücke - vorzugsweise gleich im Gay-Kino. Manchmal riechen sie an so komischen kleinen Fläschlein und sehen danach aus, als hätten sie gerade ihr Großhirn ausgeknipst. Sie machen die abenteuerlichsten Sachen, wo man als anständiger Mensch nur den Kopf schütteln kann, warum man diese geilen Sachen nicht auch schon längst mal ausprobiert hat.
In die Dritte Schublade kommen die Exhibitionisten. Die kommen sogar manchmal naggisch vom Parkplatz geschlendert, und wichsen ungeniert vor allen Leuten, und wenns ums rumvögeln geht, können sie auch garnicht genug Zuschauer haben. Ihr Traumberuf wäre Pornodarsteller, aber die Eltern haben sie nicht gelassen, und so mußten sie Zahnarzt, Automechaniker oder Finanzbeamte werden.
Die vierte Schublade ist für Paare reserviert, die ihrerseits in zwei Gruppen zerfallen: die offenen Paare und die abschließbaren Paare. Die abschließbaren Paare verschwinden in aller Regel sofort in einem abschließbaren Paare-Raum. Manchmal alleine, manchmal mit einem anderen Paar, manchmal pflücken sie auch einen Schwanz, worauf die Bewohner der Fünften Schublade sehnsüchtig warten, das sind nämlich
die Paargeier,
die im Eingangsbereich rumdrucksen (oder im shop, damit sie nichts zu zahlen brauchen, falls doch kein Paar kommt), und unglaublich cool sind. Erscheint ein Paar auf der Bühne, dann gockeln und balzen und schleimen sie rum, daß man einen Eimer unterstellen müsste. Viele von ihnen sind berufen, aber nur wenige werden von den abschließbaren Paaren ausserwählt, sie ins Allerheiligste begleiten zu dürfen. Der Trost für diese Ärmsten da draussen vor der Tür, das sind
die offenen Paare,
die erst garnicht abschließen wollen, sondern soviel Party haben wollen, wie möglich, und psychologisch auch zu den Exhibitionisten gehören. Ihre Männer haben es ausserdem eingesehen, daß jobsharing und carsharing garnichts ist, gegen die Freuden des wifesharings: die andern machen die ganze Arbeit, der glückliche Gatte guckt zu, und wenn die Alte dann soweit ist, fällt sie wieder endgeil wie ein reifer Pfirsisch in seine Arme. Geil - gell ?
Und dann gibt es die sechste Schublade, aus der ich mal die Spinnweben herauspusten muß - die ist für die Einzelfrauen reserviert, die sich ab und an ins Kino verirren - nicht immer, aber immer öfters.
Ich meine, mit diesen 6 Schubladen kann man einen Großteil der Szene im Kino beschreiben - wer noch ein paar Schubladen anbauen möchte, bitteschön, der soll sich nur keinen Zwang antun !
Gruß
Nacktzeiger